Die Lage an der russisch-ukrainischen Grenze spitzt sich weiter zu. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich die deutsch-französischen Vermittlungsversuche. Für uns ist klar: Die Deeskalation des Konflikts und die unbedingte Vermeidung von Waffengewalt haben oberste Priorität! Dennoch muss eine wertegeleitete Außenpolitik klare Grenzen aufzeigen – dazu gehört für uns die territoriale Integrität der Ukraine und die Überzeugung, dass Energie nicht zum politischen Spielball werden darf.
Russland setzt seine Vormachtstellung als wichtigster europäischer Gaslieferant ein, um seine außenpolitischen Ziele durchzusetzen, die Ukraine und ihre Partner zu schwächen und Europa zu spalten. Das zeigt: Die Abhängigkeit von importierten fossilen Energieträgern ist auch eine Abhängigkeit von despotischen Regimen und muss schnellstmöglich beendet werden. Stattdessen braucht es regional erzeugte Erneuerbare Energien, um unsere wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit zu sichern.
Nordstream 2 ist das beste Beispiel für kostspielige Fehlinvestitionen der fossilen Energiewelt: Die bestehenden Gaspipelines aus Russland sind heute schon nicht ausgelastet und würden durch Nordstream 2 zusätzlich an Auslastung verlieren. Russland könnte sofort mehr Gas nach Europa liefern, doch es fehlt am politischen Willen. Dahinter steckt das russische Kalkül, die Transgas-Pipeline durch die Ukraine weniger auszulasten und so die wirtschaftliche Stellung der Ukraine zu schwächen. Auch das immer wieder genannte Argument, Nordstream 2 könne in Zukunft Deutschland statt mit fossilem Gas mit klimafreundlichem Wasserstoff beliefern, lehnen wir ab. Mit einem Anteil von lediglich 3% Erneuerbarer Energien am eigenen Strommix wird Russland auf absehbare Zeit keinen Beitrag zur Dekarbonisierung Deutschlands mittels grünem Wasserstoff leisten können.
Dazu kommt das deutsche Dilemma der Liberalisierung des Gasmarkts: Erst dadurch wurden Discountanbieter möglich, die kurzfristig an den Spotmärkten Gas ordern, statt langfristig einzukaufen. Das Ergebnis sieht man nun bei den aktuellen Marktschwankungen: Die Billiganbieter sind pleite, die Verbraucherpreise gehen durch die Decke und die deutschen Gasspeicher, seit Jahren in der Hand des russischen Gazprom-Konzerns, haben einen Füllstand von gerade mal 37% – und das mitten im Winter! Auch Nordstream 2 würde daran nichts ändern, zumal sich die Lage durch einen mittelfristig sinkenden Gasbedarf durch den Ausstieg aus klassischen Gasheizungen im Gebäudebereich und den Ausbau Erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung wieder entspannen wird.
Klar ist für uns: Nordstream 2 ist zwar zunächst ein privatwirtschaftliches Energieprojekt, jedoch ist es eng mit der russischen Führungsebene verknüpft und deshalb keineswegs unpolitisch. Die Genehmigung zur Inbetriebnahme der Pipeline steht nach wie vor aus, da Gazprom die wettberechtsrechtliche Trennung zwischen Betrieb und Infrastruktur nicht gewährleistet. Auch die angekündigte Gründung einer neuen Gazprom-Tochtergesellschaft bleibt ein billiges Ablenkungsmanöver. Sollten die Wettbewerbshüter dennoch ihre Genehmigung erteilen, muss die Bundesregierung einschreiten: Ist Russland kurzfristig nicht zur diplomatischen Lösung des Konflikts bereit, braucht es harte Sanktionsmaßnahmen – und dazu gehört auch ein endgültiges Aus für Nordstream 2.