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Bericht von der Veranstaltung mit Maria Noichl am 23.01.

20. Februar 2024

Auf Einladung der PG Biodiversität des SPD-Klimaforums entfachte sich am 23.01.2024 ein lebendiger und sehr anregender Austausch mit Maria Noichl. Sie ist seit 2014 Mitglied der „Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament“ und Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und Ländliche Entwicklung u.a. Sie setzt sich ein für eine nachhaltige EU-Landwirtschaft und für faire Einkommen in der Landwirtschaft. https://www.socialistsanddemocrats.eu/de/meps/noichl-maria

In Ihrem sehr interessanten Einstiegs-Vortrag konnten wir Zuhörer:innen viel über Landwirtschaft, über Bodenbesitz-Verteilung, über Landwirtschaftspolitik und über EU-Förderwerkzeuge lernen. Auch die aktuellen Bauern-Proteste hat Maria Noichl eingeordnet, dabei hat sie beleuchtet, wie sich die Produktpreise für die hier bei uns produzierten landwirtschaftlichen Produkte zusammensetzen. Neben der sehr hohen Informationsdichte war es sehr erhellend, die Positionen von Maria Noichl für eine zukunftsfähige Landwirtschaft in und für Deutschland kennenzulernen. Es ist ihr gelungen, unseren Blick zu weiten. Ein weiterer Austausch ist geplant.

Was haben wir gelernt:

  1. In der EU ist eine zunehmende Eigentumskonzentration bei Flächen zu verzeichnen
    2,7% der Betriebe in der EU besitzen 50% der landwirtschaftlichen Fläche. Im Schnitt arbeiten die aktiven Landwirt:innen zu 70% nicht auf eigenem Land, sondern auf gepachteten Flächen, d.h. die Pachtquote liegt bei 70%: Wenige besitzen viel Land.
  2. Die EU-Förderung fließt vorrangig zu Besitzern großer Flächen:
    die EU-Landwirtschaftsförderung ist eine flächenbezogene Förderung. Die Förderung landet also nicht vorrangig bei den kleineren aktiven Landwirten, sondern bei großen Landbesitzern. Dazu gehören inzwischen auch Handelsunternehmen wie Aldi, Lidl u.a..
  3. Im Hintergrund der Bauernproteste sieht Maria Noichl die langjährige Situation, dass wir keine fairen Preise für faire Produkte haben. Es habe sich eine übermäßige Marktmacht von Verarbeitern wie Molkereien und Schlachtereien, die auf immer weniger Akteure zusammengeschmolzen sind, ergeben. Auch der Einzelhandel hat eine sehr hohe Marktmacht gegenüber den Erzeugern. Wir haben schon sehr viel dezentral verarbeitendes Gewerbe verloren. Der Preisdruck verstärkt den Effekt, Ertragssteigerung zu Lasten von Tieren, Böden und Mensch anzustreben.
  4. Biologische Landwirtschaft ist die entscheidende Lösung für Bodenschutz, Humusaufbau, Tierschutz, Grundwasserschutz und Biodiversität, denn sie stellt den Schutz all dieser Allgemein-Güter sicher. Die Kosten, die unsere Gesellschaft tragen muss für Aufgaben wie die Reinigung von Grundwasser, den Schutz unserer Böden und den Schutz der Biodiversität werden aktuell nicht von den Verursachern der Schäden getragen. Sie müssten jedoch dort zugerechnet werden, wo die Verursachung liegt: Produkte, die zB Grundwasserschäden verursachen, müssen die Kosten für die Behebung der Schäden aufbringen: dies kann und soll sich an der Supermarktkasse auswirken. Tatsächlich sind aber die Produkte aus biologischer Landwirtschaft häufig teurer, obwohl sie deutlich weniger Schaden an unseren Allgemein-Gütern anrichten. 

Diese Positionen und Vorschläge macht Maria Noichl (so wie die Autorin es verstanden hat):

Biologische Landwirtschaft ist die entscheidende Lösung (Zu 4.):
Weil Bio-Bewirtschaftung Bodenschutz, Humusaufbau, Tierschutz, Grundwasserschutz und Biodiversität sicherstellt, wurde das politische Ziel festgelegt, 30% unserer Flächen mit biologischer Landwirtschaft zu bewirtschaften. Bei Inflation und realem Lohnverlust sinkt leider aktuell die Möglichkeit und / oder die Bereitschaft, höhere Preise für Bio-Lebensmittel zu zahlen. Damit verfehlen wir das erklärte 30%-Biobewirtschaftungs-Ziel. Um diesem Ziel näherzukommen, muss die Nachfrage nach den Produkte der biologischen landwirtschaft sichergestellt werden. Hier kann der  Staat unterstützend eingreifen. Mit dem Bild „An einer Kette kann man nur ziehen – nicht schieben“ macht maria deutlich, dass das Sicherstellen der Nachfrage entscheidend ist. Ein entsprechendner Vorschlag der Bundestagsfraktion lautet: der Staat muss die Nachfrage nach regionalen und biologisch angebauten Lebensmitteln sicherstellen, indem bei öffentlicher Verpflegung in Krankenhäusern, in Kitas und Schulen eine Quote von mindestens 30% regionaler BioProdukte vorgegeben wird. Eine staatlich veranlasste und somit gesicherte Nachfrage ermöglicht es Landwirt:innen, in diesen Bereichen Produkte anzubauen und anzubieten: so wird eine langfristige Sicherheit für die Entscheidungen der Landwirte, wie sie ihre Höfe bewirtschaften wollen, gegeben sein.

Die Bundestagsfraktion fordert passend dazu ein Schul- und Kita Essen aus lokalen Produkten vor Ort gekocht, die Kosten solle der Staat übernehmen. So stärken wir zudem Gesundheit und Sensorik unserer Kinder.

Eine zweite Einnahmequelle für unsere Landwirt:innen (zu3.):
Zu 3. erläutert Maria, dass Landwirt:innen neben Lebensmittelproduktion vielfältige Aufgaben für die Gesellschaft übernehmen. Neben fairen Preisen für Ihre Produkte soll Landwirt:innen eine zweite Einnahmequelle zugutekommen (siehe die Forderungen der SPD Ministerin Barbara Hendricks „Ein neuer Gesellschaftsvertrag ..-aus 2017) ): werden gesellschaftliche Leistungen wie Grundwasserschutz, Boden und Klimaschutz übernommen, so müssen diese Aufgaben bezahlt werden – weil wir als Gesellschaft dies bei den Landwirt:innen bestellen, muss es auch von allen bezahlt werden.

Umstellen weg von rein flächenbezogener EU-Förderung (zu2.):
An die EU-Förderung erhebt sie die Forderung, dass Tierhaltung an eine ausreichende  Fläche gebunden werden soll und eine rein flächenbezogene EU-Förderung wegfallen muss.

Ihre Vorschläge im Weiteren: Die SPD steht für Eigentumsstreuung, gegen eine Kondensation von Eigentum in immer weniger Händen. Darum schlägt sie vor die Grundsteuer für sehr großen Landbesitz unproportional stark anzuheben und parallel die lokal tätigen Betriebe zu entlasten.

In der Frage- und Diskussionsrunde wurde deutlich, dass Agrarpolitik in der EU in verschiedenen Ausschüssen stattfindet, so insbesondere im Handels- und im Wirtschafts-Ausschuss. Agrarpolitik ist eine große Querschnittsaufgabe.

Am Rande wurde auch der Internationaler Bereich besprochen: Deutschland hat als Exportnation mit vielen Ländern ein unausgeglichenes Außenhandels-Saldo. Das ist ein Problem. Dennoch sollten aber -aus Sicht von Maria Noichl –  Lebensmittel und insbesondere Grundnahrungsmittel grundsätzlich aus Handelsabkommen / Freihandelsabkommen herausgenommen werden: denn es ist nicht sinnvoll, alle Märkte zu öffnen. Grundnahrungsmittel sollten nur erzeugungsnah verkauft werden. Es ist nicht sinnvoll, Soja als Tierfutter einzuführen, Tiere damit aufzuziehen, das Fleisch dann zu exportieren, aber den Dünger hier bei uns zu belassen und so Böden und das Grundwasser zu überdüngen.

Zum Glyphosat Ausstieg erinnert sie an das Jahr 2017, als der CSU-Politiker und Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Christian Schmidt gegen die Weisungslage der Bundesregierung Deutschlands verstieß und für die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung stimmte. In dem Beschluss war bereits angelegt, dass für die jetzt wieder um 10 Jahre verlängerte Zulassung keine parlamentarische Zustimmung, sondern nur eine Kommissionszustimmung notwendig war: das ist enttäuschend und gleichzeitig macht Maria auch auf Erfolge aufmerksam: die Bundesbahn setzt kein Glyphosat mehr ein, im Einzelhandel wird es nicht mehr verkauft und auf öffentlichen Flächen kommt es nicht mehr zum Einsatz.

Natürlich sprachen wir darüber, wie wenig von der SPD bezüglich Landwirtschaft zu hören ist. Was hat die SPD für die Bauern getan? In den 50ger Jahren wurde die Alterssicherung für Landwirte eingeführt und eine Absicherung fürs Alter geschaffen. Barbara Hendricks hat in ihrer Amtszeit weit vorausschauende Vorschläge eingebracht, die immer noch aktuell sind. 

Maria Noichl ruft dazu auf, dass die SPD den ländlichen Raum besser kennen und schätzen lernen muss.  Sie will Vertrauen und Wertschätzung zwischen Landwirtschaft und Politik verbessern und Vertrauen aufbauen/stärken.

Die Zuhörerenden vom 23.01.2024 sind an weiteren Austausch und an den Impulsen von Maria für eine positionierte SPD-Politik gegen Eigentums-Bündelung bei wenigen, Pro Landwirtschaft und Pro Klima sehr interessiert.

Dass sie sich über an Landwirtschaft Interessierte Jusos aus dem SPD-KF und klima.gerecht freuen würde, wurde deutlich: vielleicht ergibt sich sogar eine Art Mentoring zwischen ihr und einem/r jungen Klimaschützer:in mit Bezug zur Landwirtschaft….

Bericht: Inge, SPD-Klimaforum