Das SPD-Klimaforum begrüßt den 6-Punkte Plan der SPD-Bundestagsfraktion „Mehr Tempo für Zusammenhalt und Zukunft“ sowie den anlässlich der Jahresauftaktklausur des SPD-Parteivorstandes 2023 angekündigten Infrastruktur-Turbo.
Danach soll „die modernste und zugleich nachhaltigste Verkehrsinfrastruktur Europas“ entstehen. Dies soll über Sanierung, Aus- und Neubau sowie Verfahrensbeschleunigungen geschafft werden.
Verkehrliche Schwerpunkte gefordert
Das SPD-Klimaforum fordert jedoch eine deutliche Gewichtung. Der Fokus auf Erhalt und Sanierung jeglicher Verkehrsinfrastruktur ist richtig. Wir begrüßen die Planungsbeschleunigung und Verfahrensvereinfachung. Es braucht jedoch den grundsätzlichen Stopp des Aus- und Neubaus von Fernstraßen und stattdessen einen Schwerpunktaus- und Neubau sowie Reaktivierung der Schiene.
Noch immer sind die deutschen Pro-Kopf-Investitionen in Schienenverkehr im europäischen Vergleich gering, selbst eingedenk der Steigerung zuletzt. Der Koalitionsvertrag betont, „erheblich mehr in die Schiene als in die Straße investieren“ zu wollen. Aber die Bundesinvestition in die Infrastruktur von Bundes(fern)straßen ist bei wohlmeinender Berechnung immer noch mindestens gleichhoch. Das SPD-Klimaforum fordert eine Umschichtung zu klimaverträglichen Verkehren und deren Hinterlegung im Bundeshaushalt.
Wann kommt die Trendumkehr?
Die Sektorziele im Verkehr werden weiterhin deutlich verfehlt. Zwei wesentliche Gründe dafür sind der motorisierte Straßen- und der strukturell vernachlässigte Schienenverkehr. Das Schienennetz ist bereits heute überfordert: Die Zahl an Fahrgästen nimmt zu und soll nach dem politischen Willen weiter steigen, der Schienengüterverkehr ebenfalls. Zugleich stagniert die Zahl der Strecken (kaum Reaktivierung etc.) bei immer größerem Investitionsbedarf und Baustellen. Dieses Netz ist überlastet. Deutschland ist zudem das Nadelöhr Europas. Dabei ist die Schiene ein maßgeblicher Baustein für die Bewältigung der Klimakrise.
Wann wird die Schiene zum Erreichen der Klimaziele ausgebaut? Wann kommt die Verkehrswende?
Der Bundeskanzler formuliert: „Es geht darum, gute Angebote zu machen, damit mehr Leute das eigene Auto stehen lassen oder ganz darauf verzichten.“ Wenn Straßen ausgebaut werden, kann der Kanzler nicht recht behalten, denn es fehlt der Anreiz. Es braucht eine attraktive und verlässliche Alternative zum Auto auf der mittleren oder langen Distanz. Dazu muss das Moratorium des Koalitionsvertrags zum Bundesverkehrswegeplan (BVWP) umgehend umgesetzt werden. Der BVWP muss neu ausgerichtet werden. Die Fehlentwicklungen der letzten Jahre mit Stilllegungen von Schienenwegen inklusive Abhängen ganzer Städte und Regionen und übermäßiger Investition in automobile Infrastruktur sind zu korrigieren. Statt Fernstraßen(neu)bau zu verfolgen, braucht es – auch über den BVWP hinaus – alternative und klimaverträgliche Verkehrskonzepte, die den Schienenverkehr deutlich stärken: zusätzliche Ausweichgleise, Überholungen und Strecken, eigene Gütergleise, Elektrifizierung, Aufrüstung (Signaltechnik wie ETCS, Digitale Automatische Kupplung etc.), multimodale Vernetzung, geschultes Personal u.v.m. Umgesetzt werden muss auch „Mehr Güter auf die Schiene“ – bislang kaum mehr als ein jahrzehntealtes Lippenbekenntnis.
Aus- und Neubau von Fernstraßen induzieren hingegen Verkehr: Neue Straßenverkehrsfläche produziert neben Versiegelung unbestreitbar mehr Verkehr! Eine verkehrliche Ausbau-Notwendigkeit besteht nicht. Staus lösen sich dadurch nicht auf, sondern werden verlagert. Ein Aus- und Neubau-Stopp schafft keine Engpässe. Die Konnektivität von Naturräumen ist an jeder Stelle mitzudenken, da Infrastrukturmaßnahmen diesem Ziel oftmals entgegenstehen. In unserer fragmentierten Landschaft mit kleinen und damit ökologisch weniger wertvollen Naturräumen kommt es darauf an, die Eingriffe durch Infrastrukturmaßnahmen minimalinvasiv zu gestalten (z. B. neue Infrastrukturmaßnahmen entlang bestehender Trassen samt Schaffung der juristischen und verwaltungstechnischen Voraussetzungen). Der Verbrauch von Naturräumen kann nicht endlos an anderer Stelle ausgeglichen werden.
Status Quo nicht zementieren
Die SPD sollte zukunftsorientiert und mutig handeln. Ein grundsätzlicher Aus- und Neubau von Fernstraßen ist nicht mehr zeitgemäß, insbesondere darf die Umweltprüfung beim Ausbau nicht entfallen! Es entspricht nicht einer soziale Mobilitätsgerechtigkeit. Das Verfehlen der Klimaziele würde verfestigt – die Mobilitätswende gelingt jedoch nur durch Vermeiden, Verlagern und Verbessern. Die SPD darf nicht in dieser entscheidenden Zeit falsche Politik verfolgen. Die Gesellschaft ist weitgehend schon weiter.
Das Klimaforum steht für einen sozialen, klima- und umweltverträglichen Mobilitätswende-Turbo und damit für Bestandserhalt und Bahn-Ausbau!